Möge der Beste gewinnen
Nehmen wir an, Ihr Name ist Fatma Gül. Sie sind 30 Jahre alt und haben ihr Hochschulstudium mit summa cum laude bestanden, Sie haben 6 Jahre Berufserfahrung hinter sich und finden trotz sehr guter Qualifikation nun keinen Job.
Optimisten könnten sagen, vielleicht stimmt etwas mit Ihrem Foto nicht oder es gibt weitere Defizite in ihrem Bewerbungsschreiben. Realisten werden davon ausgehen, dass die Zurückhaltung der Personaler etwas mit Ihrem fremdländischen Namen zu tun hat, den Sie von ihrem Vater geerbt haben und den Sie noch heute tragen, obwohl sie in Deutschland aufgewachsen sind und obwohl Deutsch ihre Muttersprache ist. Mit 30 Jahren könnte außerdem bald Nachwuchs bei Ihnen zu erwarten sein, wodurch Sie vielleicht nicht mehr flexibel einsetzbar wären und auch öfter wegen Mutterschaftsurlauf oder Krankheit ausfällen könnten.
Es wäre daher möglich, dass Sie durch einen weniger geeigneten Bewerber ersetzt werden, weil die für das Personal verantwortliche Person hier nicht mit so vielen Klischees auf einmal kämpfen musste.
Unternehmen betrachten bei der Auswahl der Interessenten für einen Job vor allem drei Dinge:
Das Bewerbungsfoto
Von einem Foto erhoffen sich Unternehmen eine Menge Informationen über Sie als Bewerber. Es geht um den ersten Eindruck – Sympathie oder nicht, stimmen Kleidung, Frisur und Körperhaltung? Können Sie sich als Kandidat sich auf seinem Bewerbungsfoto richtig darstellen, schaffen Sie es auch in der Praxis beim Vorstellungsgespräch und im Beruf.
Der Name
Ihr Name im Bewerbungsschreiben verrät in erster Linie etwas über die Herkunft. Müller oder Chan? Wenn ein Migrant auf einer bestimmten Position nicht gewünscht ist, wird der Name schon seine Aussortierung aus dem Kandidatenpool bewirken und der Bewerber oder die Bewerberin erhält nicht einmal die Chance auf ein Gespräch.
Das Alter
Sind Sie für die Stelle zu alt oder zu jung? Passen Sie nicht in die Altersstruktur des Teams? Für Kandidaten Jenseits der 50 sinken die Chancen rapide für die Einladung zu einem Gespräch.
Anonyme Bewerbung: Das Pilotprojekt
Im Frühjahr dieses Jahres startete die Antidiskriminierungsstelle des Bundes das Pilotprojekt „Anonyme Bewerbung“. Hier gingen bei den teilnehmenden Unternehmen wie der Deutschen Post oder der Deutschen Telekom Bewerbungen ein, die nichts über die Herkunft, das Alter, das Geschlecht oder den Familienstand verrieten. Ziel der anonymen Bewerbung:
Chancengleichheit für das Bewerbungsgespräch. Das Bewerbungsschreiben wird anonymisiert, so dass Personaler nur Kandidaten anhand ihrer fachlichen Eignung zum Bewerbungsgespräch einladen können.
Erste Ergebnisse zeigen, dass die anonyme Bewerbung vor allem Frauen und Migranten einen Vorteil bringt. So wurden nun auch verstärkt jüngere Frauen zum Bewerbungsgespräch eingeladen. Durch ihren möglichen Kinderwunsch würden sie im klassischen Bewerbungsverfahren vermutlich gar nicht berücksichtigt werden.
Im Bewerbungsgespräch können dank der anonymen Bewerbung schneller Klischees überwunden werden. Überraschenderweise könnte sich herausstellen, dass Frau Gül perfekt deutsch spricht und nebenbei noch weitere Fremdsprachen beherrscht, was das Portfolio des Unternehmens positiv beeinflusst.
Die anonyme Bewerbung: Chancen für Bewerber und Unternehmen
Eine gesetzliche Regelung, die die anonyme Bewerbung zukünftig vorschreibt, ist nicht in Sicht. Vor allem für große Unternehmen bietet sie aber die Chance, jenseits der Klischees die fachlich am besten geeigneten Bewerber aus dem Kandidatenpool zu erkennen.
Die anonyme Bewerbung fördert die interkulturelle Zusammenarbeit, vor der sich vielleicht derzeit viele Unternehmen noch fürchten. Auch die Teamarbeit zwischen alt und jung kann durchaus fruchtbare Ergebnisse bringen. Die anonyme Bewerbung erleichtert es Personalern, objektiv an ein Bewerbungsschreiben heranzugehen. In Zeiten von Photoshop & Co. können Tattoos und Piercings auf dem Bewerbungsfoto ohnehin einfach retouchiert worden sein.
Trotzdem eine persönliche Note
Für Bewerber wird es in der anonymen Bewerbung allerdings schwer, ihrem Bewerbungsschreiben eine persönliche Note beizumischen. Wenn lediglich kühle Fakten in standardisierten Abfragemechanismen zählen, bleibt beispielsweise die 5 in Mathe ungeklärt, die mit Liebeskummer zur Abi-Zeit in der klassischen Bewerbung schnell erklärt wäre.
Das Bewerbungsgespräch
Letztlich ersetzt die anonyme Bewerbung nicht das Bewerbungsgespräch. Denn vergoldete Noten und Zertifikate nutzen nichts, wenn der Kandidat in seinen persönlichen Eigenschaften nicht überzeugt, nicht teamfähig ist und unfreundlich gegenüber Kunden und Kollegen.
Vielleicht sind Personaler gefragt, Stigmas abzulegen und Bewerbungsschreiben vorurteilsfreier zu begutachten. Dies wäre ein erster Schritt, dem vielzitierten Fachkräftemangel durch Ablegen von Vorurteilen zu begegnen.
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